Die digitale Produktentwicklung hat in den letzten Jahren einen großen Wandel durchgemacht. No-Code- und Low-Code-Plattformen ermöglichen es heute, Anwendungen zu erstellen, ohne tiefgehende Programmierkenntnisse zu besitzen. Unternehmen und Agenturen stehen vor der Herausforderung, die richtigen Tools auszuwählen, um schnelle, effiziente und kostengünstige Lösungen für ihre Kunden zu liefern. Doch welche Vorteile bieten diese Plattformen tatsächlich? Und welche Herausforderungen sind damit verbunden? Dieser Beitrag beleuchtet, wie sich der Trend zur Demokratisierung der Entwicklung auf die digitale Landschaft auswirkt und welche Chancen und Risiken dies für Agenturen und Unternehmen mit sich bringt.
Was sind No-Code- und Low-Code-Plattformen?
No-Code- und Low-Code-Plattformen sind Softwareumgebungen, die es ermöglichen, Anwendungen durch visuelle Tools und vorgefertigte Module zu erstellen. Der größte Unterschied zwischen den beiden Ansätzen liegt im Umfang der technischen Kenntnisse, die für die Nutzung erforderlich sind:
- No-Code: Diese Plattformen benötigen keinerlei Programmierkenntnisse. Nutzer arbeiten hier über Drag-and-Drop-Oberflächen, um Anwendungen zu erstellen. Zielgruppe sind primär Unternehmen, die in der Entwicklung unabhängiger werden möchten und ihren Mitarbeitern ohne IT-Hintergrund die Möglichkeit geben wollen, kreative Ideen umzusetzen.
- Low-Code: Diese Plattformen sind flexibler, erfordern aber grundlegende Programmierkenntnisse. Sie richten sich an Nutzer, die nicht vollständig programmieren, aber einfache Codeanpassungen vornehmen können, um Anwendungen individueller und leistungsfähiger zu gestalten.
Beispiele für bekannte Plattformen sind Bubble und Airtable im No-Code-Bereich sowie OutSystems und Mendix im Low-Code-Bereich.
Vor- und Nachteile von No-Code und Low-Code für Unternehmen und Agenturen
Der Einsatz von No-Code- und Low-Code-Tools bietet Unternehmen zahlreiche Vorteile, darunter eine schnellere Umsetzung von Projekten, weniger IT-Abhängigkeit und niedrigere Entwicklungskosten. Doch es gibt auch Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Flexibilität, Sicherheit und Skalierbarkeit.
Vorteile von No-Code und Low-Code-Plattformen
1. Schnellere Markteinführung und höhere Agilität
Ein großer Vorteil dieser Plattformen ist die Geschwindigkeit, mit der Anwendungen entwickelt und bereitgestellt werden können. Da der Entwicklungsaufwand reduziert wird, können neue Produkte schneller auf den Markt gebracht werden – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, besonders in schnelllebigen Märkten.
Ein mittelständisches Unternehmen, das eine interne App zur Verwaltung von Mitarbeiteranfragen entwickeln möchte, kann diese beispielsweise in wenigen Wochen mit einer Low-Code-Plattform erstellen, anstatt mehrere Monate in eine klassische Softwareentwicklung zu investieren.
2. Weniger Abhängigkeit von IT-Ressourcen
Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kann die Reduzierung der IT-Abhängigkeit entscheidend sein. Mit No-Code- und Low-Code-Plattformen können auch Fachabteilungen ohne technisches Wissen eigene Anwendungen entwickeln und anpassen. Das reduziert die Arbeitslast der IT-Abteilungen und gibt Mitarbeitern die Freiheit, kreative Ideen eigenständig umzusetzen.
Ein Marketingteam könnte beispielsweise mit einem No-Code-Tool wie Zapier oder Integromat eine automatisierte Lead-Erfassung aufbauen, ohne auf Entwickler angewiesen zu sein.
3. Kosteneinsparungen bei der Entwicklung
Die Entwicklungszeit und die benötigten Ressourcen lassen sich mit No-Code- und Low-Code-Plattformen signifikant senken. Statt aufwändiger Programmierung können Mitarbeiter mit Basiskenntnissen Anwendungen erstellen, was Entwicklungs- und Personalkosten spart.
Besonders Start-ups und kleine Unternehmen können auf diese Weise digitale Prozesse kostengünstig und effizient abbilden und schneller wachsen.
4. Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Teams
Da die Entwicklung durch visuelle Tools und klare Prozessschritte strukturiert ist, wird die Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen und der IT erleichtert. Teams können Anforderungen und Feedback effizienter einbringen und sofort umsetzen, wodurch die Entwicklung zielgerichteter und nutzerorientierter wird.
In einer Agentur, die an einem Prototyp für einen Kunden arbeitet, können beispielsweise Designer und Projektmanager gemeinsam auf einer Low-Code-Plattform arbeiten und den Prototyp schrittweise verfeinern.
Nachteile von No-Code und Low-Code-Plattformen
1. Eingeschränkte Flexibilität und Anpassungsmöglichkeiten
Ein Nachteil der vorgefertigten Module und Bausteine ist, dass die Anpassungsmöglichkeiten limitiert sind. Individuelle Anforderungen lassen sich oft nicht umsetzen oder erfordern eine zusätzliche Anpassung durch professionelle Entwickler, was zu einem hybriden Entwicklungsprozess führt.
Ein Finanzdienstleister, der spezifische Sicherheitsanforderungen erfüllen muss, stößt möglicherweise an Grenzen, wenn er versucht, diese Anforderungen in einer No-Code-Umgebung abzubilden.
2. Herausforderungen in Sachen Skalierbarkeit
Viele Plattformen stoßen bei wachsendem Funktionsumfang oder Nutzeraufkommen an ihre Grenzen. Für kleinere Projekte sind sie zwar geeignet, jedoch können stark skalierende Anwendungen mit mehreren tausend Nutzern die Leistung der No-Code- oder Low-Code-Plattform beeinträchtigen. Unternehmen müssen abwägen, ob die Plattform langfristig die Anforderungen erfüllen kann.
Eine E-Commerce-Plattform, die rasch wächst, könnte Schwierigkeiten haben, mit einer Low-Code-Plattform schrittzuhalten und müsste dann auf traditionelle Entwicklungsmethoden zurückgreifen.
3. Sicherheitsrisiken und Compliance-Bedenken
Da No-Code- und Low-Code-Plattformen oft von Drittanbietern betrieben werden, bestehen potenzielle Sicherheitsrisiken. Insbesondere sensible Daten sollten nicht ohne gründliche Prüfung auf eine solche Plattform übertragen werden. Für Unternehmen, die in stark regulierten Branchen wie Gesundheitswesen oder Finanzwesen tätig sind, könnte dies ein entscheidender Nachteil sein.
Ein Unternehmen im Bereich Gesundheitswesen, das strikte Datenschutzanforderungen einhalten muss, könnte Probleme mit der Compliance haben, wenn Patientendaten auf einer extern gehosteten Plattform gespeichert werden.
4. Abhängigkeit vom Plattformanbieter
Da No-Code- und Low-Code-Plattformen proprietäre Systeme nutzen, können Unternehmen bei einem Wechsel des Plattformanbieters vor Problemen stehen. Wird der Dienst eingestellt oder die Preisstruktur verändert, müssen eventuell hohe Kosten in Kauf genommen werden, um die Anwendungen auf eine andere Plattform zu übertragen oder komplett neu zu entwickeln.
Ein Start-up, das seine komplette Geschäftslogik in einer No-Code-Anwendung erstellt hat, muss bei einer Änderung der Anbieterbedingungen möglicherweise auf eine Alternative ausweichen – was erhebliche Mehrkosten verursachen kann.
Einsatzgebiete und realistische Beispiele für No-Code und Low-Code
Interne Anwendungen und Prozessautomatisierung
No-Code- und Low-Code-Plattformen eignen sich hervorragend für interne Anwendungen, bei denen die Flexibilität nicht an erster Stelle steht. Unternehmen können Tools zur Prozessautomatisierung oder zur Datenverwaltung erstellen, die speziell auf ihre Anforderungen zugeschnitten sind.
So könnte ein Unternehmen ein internes Kundenmanagement-System (CRM) mit einer No-Code-Plattform entwickeln, um Anfragen und Kontakte effizienter zu verwalten, ohne dafür teure Software einzukaufen.
Minimal Viable Products (MVPs) und Prototypenentwicklung
Gerade für die Entwicklung eines MVPs, bei dem es primär um die schnelle Validierung einer Geschäftsidee geht, sind No-Code- und Low-Code-Plattformen ideal. Start-ups oder innovative Abteilungen können Ideen unkompliziert und schnell testen, ohne hohe Investitionen in die Programmierung zu tätigen.
Ein kleines Fintech-Start-up könnte einen ersten Prototyp seiner App auf einer Low-Code-Plattform entwickeln und so die Grundidee gegenüber Investoren und Nutzern präsentieren, bevor die App in eine vollständig programmierte Lösung überführt wird.
Web- und Mobile-Apps für begrenzte Nutzergruppen
No-Code- und Low-Code-Plattformen eignen sich gut für Apps, die nur einer begrenzten Anzahl an Nutzern zur Verfügung stehen sollen, z. B. als Zusatzfunktion zu bestehenden Systemen oder für spezifische Kampagnen. Unternehmen können so schnell reagieren und individuelle digitale Erlebnisse schaffen.
Ein Beispiel wäre eine Lifestyle-Marke, die eine App zur Kundenbindung und Produktinteraktion für eine spezielle Eventkampagne erstellt und dafür eine No-Code-Plattform nutzt, um Entwicklungskosten zu sparen und Flexibilität zu gewährleisten.
Chancen und Grenzen der Demokratisierung in der digitalen Produktentwicklung
No-Code- und Low-Code-Plattformen bieten Unternehmen und Agenturen eine spannende Möglichkeit, digitale Produkte schneller, kostengünstiger und kundenorientierter zu entwickeln. Sie fördern die Unabhängigkeit der Fachabteilungen, ermöglichen eine schnelle Validierung von Geschäftsideen und bieten wertvolle Werkzeuge für interne Prozessoptimierungen.
Gleichzeitig erfordern sie jedoch ein fundiertes Abwägen der Einsatzmöglichkeiten und Grenzen. Unternehmen, die langfristige oder hochskalierbare Projekte planen, sollten die Flexibilität, Skalierbarkeit und Sicherheitsanforderungen gründlich prüfen. Agenturen können mit No-Code- und Low-Code-Plattformen ihren Kunden einfache Lösungen bieten und ihre Dienstleistungen erweitern – jedoch nur, wenn die Anforderungen realistisch bleiben.
Die Demokratisierung der digitalen Entwicklung hat das Potenzial, den Innovationsprozess zu beschleunigen und neue Ideen zugänglicher zu machen. Für Agenturen und Unternehmen bedeutet dies, dass sie in einer dynamischen, digitalen Welt wettbewerbsfähig bleiben können – vorausgesetzt, sie nutzen die Tools gezielt und bewusst.